Wenn Politik die Familie auseinanderreisst

Shownotes

Dass wir nicht immer einer Meinung sind mit unseren Eltern, ist nichts Ungewöhnliches. Doch was, wenn die politischen Überzeugungen so weit auseinanderklaffen, dass man sich nicht mehr versteht? Genau diese Erfahrung hat die Historikerin und Autorin Leonie Plaar gemacht. Ihr Vater war von Anfang an überzeugter Anhänger der AfD, genau wie viele andere Familienmitglieder. Leonie dagegen distanzierte sich schnell von der Rechtspartei. Und stand irgendwann vor der schwierigen Entscheidung, wie sie mit den Meinungsverschiedenheiten umgehen soll.

Gast: Leonie Plaar, Historikerin und Autorin

Host: Alice Grosjean


Leonie Plaars Buch Meine Familie, die AfD und ich ist am10. September 2025 im Goldmann Verlag erschienen.

Unter dem Namen Frau Löwenherz postet Leonie Plaar über Politik, Feminismus und queere Themen, unter anderem auch auf TikTok und Instagram

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00:00:00: Dieser Podcast wird ihm präsentiert vom Zurich Film Festival, vom fünfundzwanzigsten September bis fünften Oktober in Zürich.

00:00:23: Ich würde es tatsächlich eher vergleichen mit einem Todesfall in der Familie.

00:00:26: Also so war auch der Trauerprozess bei mir.

00:00:29: Und dieser Trauerprozess hat aber schon angefangen als noch Kontaktbestand.

00:00:34: Und ich aber gemerkt habe, diese Menschen, die ich als meine Familie kenne oder dieser Mensch, Den gibt es gar nicht mehr, der ist nicht mehr da, der ist verschwunden in Echo-Kammern, in den sozialen Medien, in einem Wust von Ideologie, die von dem Menschen, den ich kenne oder kannte, gar nichts mehr übrig gelassen hat.

00:00:56: Das letzte Mal die eigene Familie besuchten.

00:00:59: Was in vielen von uns wahrscheinlich Waage und ungute Gefühle auslösen dürfte, dafür hat sich unser heutiger Gast ganz bewusst entschieden.

00:01:07: Leonie Pla ist neunundzwanzig Jahre alt, als sie ein letztes Mal in ihre Heimat zurückfährt, um den Kontakt zu ihrer Familie komplett abzubrechen.

00:01:16: Ihr hört NZZ Megahertz, ich bin Alice Grosjean und mir zugeschaltet aus Köln ist jetzt Leonie Pla.

00:01:22: Hallo Leonie, schön bist du da.

00:01:24: Hallo, schön, dass ich da sein darf.

00:01:26: Leonie, du hast eine Erfahrung gemacht, die vielen da draußen wahrscheinlich bekannt vorkommt.

00:01:31: Du hast dich nämlich von deiner Familie entfremdet.

00:01:34: Aber bei dir ging das so weit, dass du irgendwann dich entschieden hast, dazu ganz Schluss zu machen sozusagen.

00:01:40: Wann war das denn?

00:01:41: Wie lange ist das jetzt schon her?

00:01:43: Es ist jetzt ungefähr drei Jahre her, vielleicht auch zweieinhalb.

00:01:47: Es ist so ein bisschen schwer, das festzumachen, weil ich glaube viele stellen sich den Kontaktabbruch zur Familie immer so als Einbruch vor und dann war es das.

00:01:55: Aber es ist dann auch irgendwann so ein bisschen ausgeschlichen und zwar ein längerer Prozess.

00:02:00: Deswegen kann ich da gar nicht mehr so auf einen Datum den Finger legen.

00:02:03: Wann war denn das letzte Mal, dass du noch mit ihnen gesprochen hast?

00:02:06: Also ganz bewusst das letzte Gespräch in Person hatten wir im Sommer.

00:02:13: Und seither hast du jetzt wirklich überhaupt keinen Kontakt mehr.

00:02:16: oder gibt es da trotzdem noch ab und zu so ein bisschen Versuche der Kontaktaufnahme?

00:02:21: Es gab danach noch mal hin und wieder, weiß ich nicht, eine WhatsApp-Nachricht oder dann auch mal einen Anruf von der Oma, dass ich doch den Kontakt gefälligst mal halten soll.

00:02:31: Aber der Kontakt gerade zu meinem Erzeuger ist komplett eingestellt.

00:02:35: Und mit meiner Mutter habe ich sehr vorsichtigen Kontakt.

00:02:39: Sehr sporadisch, sehr selten, sehr vorsichtig.

00:02:41: Also du hast dich eben bewusst dazu entschieden, das war für dich ein wichtiger, nötiger Schritt.

00:02:45: Gibt es trotzdem etwas oder jemanden, den du vermisst?

00:02:50: Ja natürlich, also ich vermisse natürlich irgendwie meine Familie, aber die Familie, die ich kenne, die ich auch wirklich noch als Familie bezeichnet habe damals.

00:02:57: Also den Vater, den ich auch noch als Vater kennengelernt habe, als irgendwie dann auch mal liebevollen und zugewandten Menschen in meiner Kindheit.

00:03:07: Aber diese Personen, diese Menschen gab es dann einfach schon eine ganze Weile nicht mehr, als ich den Kontakt abgebrochen habe.

00:03:18: Leonie Pla ist eine deutsche Historikerin, Autorin und politische Influencerin.

00:03:23: Auf Instagram ist sie bekannt als Frau Löwenherz, die sich vor allem für queere und feministische Themen einsetzt und aufklärt.

00:03:30: Ihre Familie teilt Leonies politische Ansichten aber nicht.

00:03:33: Im Gegenteil.

00:03:35: Fast alle ihrer Verwandten wählen die rechtsradikale AfD.

00:03:38: Über diese Beziehungsgeschichte hat Leonie gerade ein Buch geschrieben, das heißt, meine Familie, die AfD und ich.

00:03:46: Leonie Pla ist in Osnabrück geboren, heute wohnt sie in Düsseldorf und ist thirty-two Jahre alt.

00:03:57: Und ganz früher, also bevor es die AfD überhaupt gab als Partei, war denn Politik bei euch zu Hause da überhaupt ein Thema?

00:04:04: Ja, Politik war immer ein Thema, tatsächlich gerade auch mit meinem Erzeuger, weil, also das ist tatsächlich auch eine meiner irgendwo Lieblingserinnerungen, auch wenn ich heute natürlich ein bisschen kritischer darauf gucke, ist das... Er hat mir als Kind abends keine Märchen vorgelesen oder aus meinem Lieblingsbuch vorgelesen, sondern bei mir saß dann abends halt Papa auf der Bettkante und ich wollte dann wissen, was gerade so in der Welt passiert.

00:04:29: Und er hat mir dann immer so ein bisschen erzählt, was gerade so die wichtigsten Schlagzeilen in der Zeitung waren, was im Moment schon passiert.

00:04:35: Ja, ich fand das immer total spannend.

00:04:37: Ich hatte irgendwie immer schon so ein Bedürfnis.

00:04:39: über den eigenen Tellerrand hinaus zu sehen und hatte irgendwie da, glaube ich, schon so ein Gefühl, dass die Welt ein kleines bisschen größer ist als der Mikrokosmos, in dem man mit so, weiß ich, nicht neun, zehn Jahren lebt.

00:04:50: In deinem Buch, da beschreibst du ja auch, wie du ganz am Anfang, als die AfD als Partei gegründet wurde, deine Familie so seit dem Frühsten anfängt eigentlich mit dabei war und du warst selber auch sogar Parteimitglied ganz am Anfang.

00:05:02: Und dann so in den Jahren danach ist deine Familie eigentlich immer enthousiastischer geworden.

00:05:08: Und du hast sich aber so komplett in die entgegengesetzte Richtung entwickelt.

00:05:12: Was würdest du denn sagen, was ist jetzt bei dir konkret anders passiert als bei den größten Teilen deiner Verwandtschaft?

00:05:19: Ja, ich bin immer so ein bisschen vorsichtig, wie ich darüber spreche, dass ich irgendwie mal für ganz kurze Zeit Mitglied in dieser Partei war, weil einfach, ich hatte ja keine Einblicke in Partei interner oder mein Sozialleben war da nicht dran gebunden an diese Mitgliedschaft.

00:05:33: War das so ein bisschen nachdem du achtzehn geworden bist und dann das erste Mal darf man wählen?

00:05:37: Ja, mir wurde dann eben auch vor versammelter Mannschaft dieser Mitgliedsantrag unter die Nase gehalten, unterschreib mal.

00:05:43: Und das war eben die Normalität, wenn Papa dir was unter die Nase hält, ob das Versicherungsunterlagen oder weiß ich was sind, dann wird das halt unterschrieben.

00:05:50: Aber ich musste mich davon viel weniger frei machen, als das andere Menschen mussten, die wirklich vielleicht auch beruflich und sozial viel mehr verbandelt mit dieser Partei waren und sich da ganz anders rauskämpfen mussten.

00:06:00: Deswegen pass ich immer sehr auf, weil ich da nichts für mich in Anspruch nehmen möchte, also Kämpfe für mich in Anspruch nehmen möchte, die ich nicht führen musste.

00:06:08: Aber natürlich trotzdem das familiäre Umfeld, herum waren sehr drin in dieser Partei.

00:06:16: Das war dann noch die Zeit, als das noch die Lucke-Partei war, die Professorin-Partei, die Anti-Euro-Partei.

00:06:21: Das war so diese Anfangsphase.

00:06:24: Und das fiel zusammen bei mir mit dem Beginn eines Jura-Studiums, das ich relativ schnell wieder aufgegeben habe.

00:06:31: Aber ja, das war so ein Anfangshype ja irgendwie auch um diese Partei.

00:06:37: war eben dann gerade in diesem angefangenen Jurastudium, gerade dabei zu Hause auszuziehen und habe so ein bisschen nach meinem Platz in der Welt gesucht und habe gemerkt, dass ich mich irgendwie anpassen muss, um da rein zu passen und habe mich zu dem Zeitpunkt auch noch selber verzweifelt versucht davon zu überzeugen, dass ich wirklich wirklich auf Männer stehe.

00:06:57: Hat alles nicht so gut geklappt.

00:07:00: Ja, und da fiel das eben rein und ich wollte einfach vor allem irgendwie, das ging es noch gar nicht so sehr um politische Überzeugung.

00:07:06: Ich wollte auch einfach mich meiner Familie anpassen und wollte diese Konflikte nicht mehr.

00:07:09: Gab es dann irgendwie so ein bestimmtes Thema oder ein bestimmtes AfD-Thema, eine Aussage oder vielleicht auch was in den Medien passiert ist, wo sich dann wie so die Gräben deutlich aufgetan haben?

00:07:21: Also für mich persönlich gab es das auf jeden Fall, weil ich, und da hatte ich wirklich riesengroßes Glück, ich weiß gar nicht, was sonst passiert wäre.

00:07:28: Weil ich dann relativ schnell eine Nachricht von einer so Freundesfreundin, ich weiß bis heute ihren Nachnamen, ich habe überall gesucht, ich weiß bis heute ihren Nachnamen nicht mehr, bekommen habe, eine junge schwarze Frau, die damals schon das Gefahrenpotenzial in dieser Partei gesehen hat und mir und bzw.

00:07:43: allen Menschen ihrer Freundesliste auf Facebook damals eine Nachricht geschrieben hat, die dieser Partei gefolgt sind.

00:07:50: Und auch wenn ich zunächst in eine Abwehrhaltung gegangen bin, hat das so in mir weitergearbeitet, dass ich... dann ganz schnell in eine andere Richtung abgebogen bin.

00:07:59: Also sich dann in den folgenden Wochen...

00:08:02: Was hat das ihr dir genau geschrieben, weißt du das noch?

00:08:04: Ich kriege die ganze Nachricht nicht mehr zusammen, aber sie hat halt ganz klar dargelegt, dass jetzt schon zu dieser Anfangsphase ein klares rassistisches, ausländerfeindliches Weltbild zugrunde liegt.

00:08:17: Dass diese Isolationspolitik, auch diese Anti-Euro-Politik, dass das auch historisch... Bezüge hat, wie gesagt, ich kriege nicht mehr alles zusammen.

00:08:25: Ich weiß nur noch, dass das in mir so ein Gefühl ausgelöst hat über die nächsten Wochen.

00:08:29: Und ich dann die Punkte, die sie da genannt hat, auch immer wieder gesehen habe.

00:08:32: Indem was, was rhetorisch dann passiert ist, indem was in den Medien über diese Partei berichtet wurde, wo ich immer wieder gemerkt habe, ah verdammt, die hatte recht.

00:08:41: Und es hat so in mir weitergearbeitet, dass ich mich dann ganz schnell wieder von dieser Partei distanziert habe.

00:08:46: Und wie war das, also in dir selber, in dir drin, hat das so gearbeitet?

00:08:49: Und gleichzeitig hast du deine Familie um dich rum, die diesen Schritt so nicht gemacht hat.

00:08:53: Hast du das versucht, auch noch mal so weiterzugeben oder anzusprechen, jetzt zu dem ganz frühen Zeitpunkt schon?

00:08:59: Das kam erst deutlich später, weil mir ... Ich glaube, ich auch selber zu dem Zeitpunkt noch das Vokabular dafür gefehlt hat.

00:09:05: Also mir hat die diretorische Gewandheit auf diesem Gebiet gefehlt, um das überhaupt dieses Störgefühl, das das bei mir ausgelöst hat, um das irgendwie in Worte zu fassen, geschweige denn, das irgendwie an andere weiterzugeben.

00:09:19: Das kam erst später, als ich mich dann ausführlicher damit beschäftigt habe.

00:09:23: Ich bin in dieser Anfangsphase eher noch, also am Anfang noch so ein bisschen mitgeschwommen.

00:09:28: Und habe mich dann ganz, ganz schlecht dafür gefühlt.

00:09:31: Ich war so der Imposter im Raum.

00:09:33: Ab

00:09:33: wann?

00:09:33: Also eben am Anfang beschreibst du, dass du als wages Gefühl irgendwie, da stimmt was nicht, damit das sind nicht so ganz meine Werte, dich vertrete.

00:09:41: Gab es dann so einen Punkt, wo du wirklich so deutlich wusstest, nee, dass es wirklich nicht das, was meine Werte sind?

00:09:47: Es gab keinen, keinen so... klaren Dreh- und Angelpunkt.

00:09:51: Es gab keinen klaren Wendepunkt, an dem sich das von heute auf morgen gedreht hätte.

00:09:56: Ich glaube, wir ändern unsere Meinung einfach generell lieber in Würde und im Stillen.

00:10:00: Und das war bei mir genauso.

00:10:01: Das musste erst mal in mir selber arbeiten.

00:10:04: Und zwischen dem Punkt, wo das in mir gearbeitet hat und ich für mich selber, auch vor mir selber, zugegeben habe, dass ich meine Meinung geändert habe, meine Haltung geändert habe und dem ersten Mal, wo ich das laut ausgesprochen habe, ist sicherlich auch noch mal Zeit vergangen.

00:10:19: dass man eben mit der eigenen Familie politisch nicht immer auf der gleichen Linie ist.

00:10:22: Das kennen wahrscheinlich sehr viele von uns.

00:10:25: Das entgläht sich auch immer gerne so bei Familienfesten.

00:10:28: Klassiker als Weihnachten, würde ich sagen.

00:10:30: Gab es dabei auch mal so eine Situation, die komplett eskaliert ist?

00:10:36: Nicht nur eine.

00:10:38: Also Weihnachten war früher mein absolutes Lieblingsfest im Jahr, mein Lieblingsfamilienfest und ich habe das immer sehr genossen und es hat sich dann irgendwann gewandelt.

00:10:48: Dazu, dass ich vor Weihnachten immer schon ein bisschen Angst hatte, weil ich wusste, was auf mich zurollt.

00:10:52: Also eigentlich gab's jeweils in dem Jahr immer einen großen Konflikt.

00:10:57: Ist es immer entweder an Heiligabend oder irgendwann kurz davor oder kurz danach, ist es eskaliert, zum jeweiligen Kulturkampfthema.

00:11:05: Wie sah denn der Heiligabend bei euch zu Hause aus?

00:11:08: Wie viele Leute kamen da?

00:11:09: Was habt ihr gemacht?

00:11:10: Das war jedes Jahr so ein bisschen unterschiedlich, aber meistens ... kommt dann die Großfamilie zusammen, vielleicht noch irgendwie mit Angeheirateten oder Bekannten.

00:11:18: Also so richtig die große, die große Gruppe.

00:11:21: So richtig die große Runde, genau.

00:11:23: Und ich saß dann aber politisch trotzdem sehr allein am Tisch.

00:11:26: Also ich musste schon alleine gegen sehr viele Leute andiskutieren.

00:11:30: Es gab so ein paar, die vielleicht nicht politisch auf der Linie der AfD waren, aber die auch es nicht für nötig gehalten haben, sich dann einzumischen.

00:11:39: Kannst du dich noch an konkreten bestimmtes Thema erinnern?

00:11:41: Vielleicht das letzte Mal?

00:11:42: wo du noch zu Hause warst?

00:11:45: Ja, ganz zuletzt ging es dann um Migration und vor allem um Flucht und um ertrinkende Menschen im Mittelmeer.

00:11:53: Und da war eigentlich auch schon so ein Punkt erreicht, wo ich wusste, das wird das letzte Heiligabend mit diesen Menschen.

00:11:58: Das zeichnete sich schon ab, dass mein Opa wahrscheinlich auch nicht mehr lange da sein wird.

00:12:02: Deswegen habe ich das schon sehr bewusst als letztes Heiligabend genutzt oder erlebt.

00:12:07: Aber nichts ist so.

00:12:08: trotz, ist der Konflikt dann eben entstanden.

00:12:10: Das wurde auch dann abfällig darüber gesprochen, dass ja, das ist ja eine Belastung für, ich glaube, Spanien wäre, dass die Menschen, die da vom afrikanischen Kontinent rüberflüchten, übers Mittelmeer, dass die, die aus dem Meer ziehen müssten.

00:12:23: Also es wurde auch immer von denen gesprochen.

00:12:25: Es waren immer die.

00:12:26: Es war ein ganz starkes Othering der Stadt gefunden.

00:12:29: Es war sehr abfällig.

00:12:31: Und irgendwann habe ich es dann auch nicht mehr ertragen.

00:12:33: und auch trotz... allem, dass ich versucht habe, meinem Opa zu liebe, da noch ein schönes Weihnachten zu verbringen, habe ich dann aber auch den Mund aufgemacht und den Rassismus ganz klar benannt, der damit geschwungen hat.

00:12:44: Das ist dann ein bisschen eskaliert.

00:12:45: Hast

00:12:46: du das vorsichtig gemacht oder hast du das laut gemacht?

00:12:49: Ich habe das zunächst sehr vorsichtig gemacht.

00:12:52: Also gerade in diesem Setting habe ich immer sehr aufgepasst, wie ich meine Worte wähle.

00:12:56: Das man lernt ja dann auch mit der Erfahrung.

00:12:59: Aber... spätestens als dann auch das N-Wort gefallen ist für diese Menschen und als dann wirklich ganz klare rassistische Stereotype bedient wurden, die im Prinzip ausgedrückt haben, dass die Menschen, die vor Hunger und Krieg vom afrikanischen Kontinent flüchten, dass die im Prinzip eine horde Wilde wären.

00:13:16: Ich glaube, dieser Begriff ist auch ziemlich genau so gefallen an diesem Abend.

00:13:19: Und dann, dass es mit dir passiert, bist du aufgesprungen oder hast du rumgeschrien?

00:13:23: oder was hast du gemacht?

00:13:26: Nein, überhaupt nicht.

00:13:27: Ich bleibe inzwischen sowieso mit den Jahren, man übt sich ja dann auch darin, solange.

00:13:33: ich kann eigentlich immer sehr ruhig dabei.

00:13:34: Ich habe eigentlich ziemlich sachlich erklärt, warum das rassistisch ist und dass das absolut nicht geht, natürlich klar und bestimmt.

00:13:41: Ich finde auch, wenn solche Worte fallen, dann darf man dafür auch wiederum klare Worte finden, um darauf zu antworten und um das zu benennen.

00:13:47: Das sollte man sogar.

00:13:49: Aber habe einfach in einem klaren und bestimmten Ton gesagt, dass das komplett rassistisch ist und dass das eine menschenfeindliche Haltung ist und das nichts mehr mit Politik oder sonst was zu tun hat, dass das auch moralisch nicht zurechtfertigen ist.

00:14:01: Die Reaktionen darauf waren ein bisschen ungehaltener als meine Worte.

00:14:04: Das waren darüber... ist es dann eskaliert, weil meine Familie das dann nicht so angenehm fand, dass ich diesen Rassismus als solchen benannt habe.

00:14:12: Also wurde es laut?

00:14:14: Ja, es wurde irgendwann auch laut, aber gar nicht so sehr über das hinaus, was man vielleicht in einer sehr lebhaften größeren Runde dann kennt.

00:14:21: Also es versucht dann irgendwie jeder den anderen zu übertönen, aber nicht im Sinne von, dass da irgendwie geschrien und Türen geknallt wurden.

00:14:29: Und was ist dann in dir drin passiert, also während diesem Gesprächen vielleicht auch direkt danach?

00:14:35: Ich glaube, währenddessen gar nicht so viel.

00:14:37: Ich habe irgendwann so einen Modus gefunden, in dem ich dann versuche, mich auf das Inhaltliche zu konzentrieren und das noch nicht so emotional an mich ranzulassen.

00:14:45: Aber das ist natürlich auch eine Mauer, die irgendwann bröckelt.

00:14:47: Solche Diskussionen gehen ja nicht fünf Minuten lang, sondern auch mal über eine Stunde oder zwei oder mehr.

00:14:54: Und irgendwann greift dann das natürlich auch emotional an, wenn man da die Menschlichkeit von sterbenden Menschen verteidigen muss.

00:15:00: Ja, und irgendwann war dann auch der Punkt, wo ich das aufgegeben habe, wo ich das nicht mehr mit mir vereinbaren konnte und natürlich auch trotz allem, was ich auch über die Haltung der Menschen mit mir im Tisch wusste, auch einfach geschockt von dem war, was da laut ausgesprochen wurde.

00:15:13: Das ist immer das eine, wenn die Leute das vielleicht für sich denken, aber dass sie so laut aussprechen und so ohne Scham aussprechen, hat mich dann doch nochmal anders mitgenommen.

00:15:22: Wie bist du dann da raus aus dieser Situation?

00:15:25: Ich hab mich dem irgendwann entzogen, bin dann ins Gästebad geflüchtet.

00:15:29: Das war eine Etage tiefer und da hat sich dann auch die aufgestaute Emotion der letzten, ich weiß nicht, wie lange wir da diskutiert haben, eine oder zwei Stunden, hat sich dann in einer Panikattacke entladen.

00:15:41: War das auch so ein bisschen der Punkt, nachdem du dich dann entschieden hast, ganz auf Abstand zu gehen?

00:15:46: Oder war es da noch nicht so weit?

00:15:48: Nee, der Punkt kam erst ein bisschen später.

00:15:52: Ja, es ist schwierig zuzuordnen.

00:15:54: Doch, aber der Punkt, wo ich eigentlich schon entschieden habe, dass kein Kontakt mehr bestehen wird, der kam an einem anderen Tag.

00:16:03: Also die Entscheidung eben zum Kontaktabbruch, war das eher aus Selbstschutz oder war das aus politischer Überzeugung?

00:16:09: Oder was war wichtiger?

00:16:12: Ich glaube, das lässt sich gar nicht voneinander trennen.

00:16:14: Also wir reden, wenn wir von Kontaktabbruch wegen politischer Differenzen reden, dann klingt das immer so ein bisschen so sehr sachlich und sehr trocken und sehr abstrakt.

00:16:24: Aber man muss sich ja auch mal klar machen, dass unsere politischen Überzeugungen vor allem auch ein Ausdruck unseres Wertesystems und unseres moralischen Kompasses sind.

00:16:33: Und wenn die fundamental nicht mehr mit meinem Gegenüber einstimmen, dann weiß ich nicht, ob ich diese Person noch in meinem Leben haben muss.

00:16:42: Und so war es eben bei meiner Verwandtschaft auch.

00:16:44: Und spätestens als damals zur Corona-Zeit eine mögliche Impfpflicht mit dem Holocaust verglichen wurde, war bei mir der Punkt erreicht, wo ich gesagt habe, hier ist keine Basis mehr, hier ist kein Fundament mehr für eine gemeinsame Beziehung, wenn unsere Weltansichten so dermaßen auseinanderdriften.

00:17:08: Seien Sie dabei, wenn Zürich zur Filmmetropole wird.

00:17:11: Vom XXV.

00:17:12: September bis V. Oktober bringt das Zurich Film Festival zahlreiche Kino-Highlights und Stars aus Hollywood in die Limatstadt.

00:17:19: Erleben Sie Weltpremieren im Kinosaal oder große Momente am grünen Teppich?

00:17:24: Tickets ab Fünfzehnten neunten unter zff.com.

00:17:33: Jetzt, um mal so ein bisschen aus dieser letzten Situation so rauszukommen.

00:17:38: Wir haben beim Podcast Megaherz immer noch so eine Sektion mit so ganz vielen, ganz kurzen Fragen, die darfst du jetzt einfach mal spontan, kurz intuitiv beantworten.

00:17:47: Ich versuch's.

00:17:48: Wenn du abends den Tag ausklingen lässt, was machst du da immer

00:17:53: als Letztes?

00:17:53: Meistens schaue ich irgendwie gerne alte Serien, also ältere Serien.

00:17:58: Wenn ich so Gamergirls oder Friends als alte Serie bezeichne, dann kriege ich, glaub ich, Ärger von anderen Generationen.

00:18:04: Nee, find ich, kann man machen.

00:18:06: Ja.

00:18:07: Das letzte Mal aufgeregt habe ich mich.

00:18:12: Ich reg mich gar nicht mehr so oft auf.

00:18:13: Zwar was Privates.

00:18:15: Ich reg mich eher für meine Freundinnen auf.

00:18:17: Ich habe mich über die Kollegin einer Freundin aufgeregt, die sie auf der Arbeit nicht gut behandelt hat.

00:18:22: Wann war das?

00:18:24: Äh, gestern.

00:18:26: Jetzt abgesehen von dieser Podcastaufnahme hier.

00:18:28: Wann war das letzte Mal, dass du an deine Familie gedacht hast?

00:18:32: Im Moment ständig, weil ja bald mein Buch erscheint dazu.

00:18:35: Musst du immer drüber reden.

00:18:36: Also wahrscheinlich fünf Minuten vor dieser Podcastaufnahme.

00:18:39: Die letzten Weihnachten waren?

00:18:41: Sehr harmonisch, sehr still und in Schottland.

00:18:45: Was ist der letzte Eindruck, den du noch von deinem Elternhaus hast?

00:18:50: Dass es kein Elternhaus mehr ist, dass es kein sicherer Ort mehr ist.

00:18:57: Dein Buch schreibst du auch, du sprichst eigentlich nicht von deinem Vater, sondern du nennst ihn immer... Dein Erzeuger.

00:19:03: Ist das was, was so nach dem letzten Gespräch entstanden ist oder war das schon davor?

00:19:07: War das so was, was du für dich selber irgendwie erschaffen hast?

00:19:11: Das ist tatsächlich was, was er irgendwie für mich erschaffen hat.

00:19:14: Also es gab eben schon diese Familiengeschichte, dass eben auch mein Opa über seinen Vater gesagt hat, das ist nicht mein Vater, das ist mein Erzeuger.

00:19:24: Weil mein... Ur-Opa wohl ein Altnazi war und wohl auch die NSDAP unterstützt hat nach allem, was ich bisher so weiß.

00:19:34: Sehr viel weiß ich darüber allerdings nicht.

00:19:36: Und so habe ich eben schon in meiner Jugend, weil diese Geschichte gehört über meinen Opa, der über seinen Vater sagt, das ist nicht mein Vater, das ist mein Erzeuger.

00:19:44: Und da hat sich, glaube ich, schon so ein Verständnis entwickelt von, ah, das muss nicht unbedingt ein und dasselbe sein.

00:19:50: Und irgendwie ist diese Geschichte bei mir sehr, sehr hängen geblieben.

00:19:53: und als dann ... sich die Familiengeschichte ein bisschen wiederholt hat, war dieser Begriff einfach da.

00:19:59: Hat sich das für dich passend angefühlt.

00:20:01: Ja.

00:20:02: Jetzt, sich abgrenzen von gewissen Personen eben, dass es das eine unter den Kontakt komplett abzubrechen, ist doch nochmals eine andere Stufe, würde ich sagen.

00:20:11: Als du das deiner Familie beigebracht hast, also als du das kommuniziert hast, dass du keinen Kontakt mehr willst mit denen, kannst du uns dann nochmal kurz mitnehmen in diese Situation, wie ist das abgelaufen?

00:20:23: Es gab gar nicht so, dass das eine Gespräch dazu, sondern es gab eben ein letztes Gespräch, von dem mir auch sehr bewusst war, dass es das letzte Gespräch sein wird und bei dem ich ganz klar auch gesagt habe, wenn sich das nichts ändert, dann habt ihr keinen Platz in meinem Leben.

00:20:36: Aber ich habe das Gefühl, das kam bei denen gar nicht an.

00:20:38: Die haben nicht verstanden, dass ich dann wirklich keinen Kontakt mehr möchte und haben das vielleicht so als leere Drohung empfunden.

00:20:46: Und es gab dann auch immer wieder mal Versuche, also sowohl von meiner Oma, also von der Mutter meines Erzeugers, als auch von meiner Mutter, das doch noch mal zu verhandeln und den Kontakt doch noch mal bitte bestehen zu lassen oder da irgendwie ein Kompromiss zu finden.

00:21:02: Aber da war diese Entscheidung für mich eben schon lange gefällt.

00:21:06: Und eben dieses letzte Gespräch, was aber wirklich noch so ein Gespräch war, wo man sich sieht so in real, wie ist das abgelaufen, wann ... War das zu Hause bei dir?

00:21:16: Kannst du das noch mal ein bisschen nacherzählen vielleicht?

00:21:19: Ja, das war in meinem Elternhaus und ich habe mir zu dem Zeitpunkt Fragen oder eine Frage zurechtgelegt, von der ich wusste, ich muss darauf eine befriedigende Antwort hören, sonst hat Ein weiterer Kontakt keinen Sinn und schadet mir mehr als alles andere.

00:21:37: Also ich tue mir damit nicht gut, diesen Kontakt zu halten.

00:21:40: Und ich habe den zu diesem Zeitpunkt, ehrlich gesagt, auch schon länger gehalten, als es für mich gesund war.

00:21:45: Und diese Frage war eben, was ist die rote Linie, die überschritten werden muss, damit ihr diese, nicht nur diese Partei, sondern eben auch die Ideologie, die dahinter steht, nicht mehr unterstützt.

00:21:55: Was ist die rote Linie?

00:21:56: Was müsste passieren, damit sich da was dreht?

00:21:59: Das wolltest du von Ihnen wissen.

00:22:01: Genau, darauf wollte ich eine Antwort haben.

00:22:02: Und ich habe darauf auch nach, ich glaube, drei, vier Stunden haben wir da insgesamt gesprochen, habe ich darauf keine Antwort bekommen.

00:22:10: Egal, wie oft ich auf eine Antwort bestanden habe.

00:22:12: Und da wusste ich einfach, okay, ich werde hier keine Antwort bekommen.

00:22:16: Und wusste damit einfach, das war jetzt das letzte Gespräch.

00:22:20: Aber ich kann mir selber jetzt auch nicht mehr vorwerfen, dass ich es nicht noch mal versucht hätte, dass ich der Sache nicht noch mal eine Chance gegeben habe.

00:22:27: Also für mich war das eher so ein Abschluss, dass Ich für mich noch mal alles versucht habe, um einen letzten Weg in Richtung Kontakt irgendwie offen zu halten.

00:22:37: Und ja, diese Tür wurde dann eben auch zugeschlagen.

00:22:40: Und damit wusste ich aber auch ganz klar, das ist die richtige Entscheidung und konnte damit relativ schnell dann meinen Frieden schließen.

00:22:46: Wie hast du dich in dem Moment gefühlt?

00:22:48: Hast die Tür zugeknallt?

00:22:49: ist?

00:22:51: Bescheiden.

00:22:53: Also, ich bin in mein Auto eingestiegen, bin einmal um die Ecke gefahren und hab mich erst mal ganz in Ruhe ausgeheult und war sehr froh, dass ich aber auch Freundinnen hatte, die ich dann anrufen konnte und die das mit mir ein bisschen nachbesprochen haben, bis ich dann wirklich wieder auch emotional auf einem Level war, in dem ich gut ein gewisses Auto fahren konnte und dann nach Hause gefahren bin.

00:23:14: Aber ich hab da sehr schnell meinen Frieden mitgefunden.

00:23:19: Kann man das auf irgendeine Art vergleichen mit... Also falls nicht mit sonst Schluss machen von Beziehungen oder mit einer romantischen Beziehung, hat sich das für dich so ein bisschen ähnlich angefühlt?

00:23:30: oder ist das komplett was anderes?

00:23:32: Das ist komplett was anderes.

00:23:33: Ich würde es tatsächlich eher vergleichen mit einem Todesfall in der Familie.

00:23:37: Also so war auch der Trauerprozess bei mir.

00:23:39: Und dieser Trauerprozess hat aber schon angefangen als noch Kontaktbestand.

00:23:44: Und ich aber gemerkt habe, diese Menschen, die ich als meine Familie kenne oder dieser Mensch, Den gibt's gar nicht mehr, der ist nicht mehr da, der ist verschwunden in Echo-Kammern, in den sozialen Medien, in YouTube-Videos von rechtsextremen Streamern und YouTubern, in einem Wust von Ideologie, die von dem Menschen, den ich kenne oder kannte, gar nichts mehr übrig gelassen hat.

00:24:10: Und der auch... seine Tochter nicht mehr erkennt durch diese Ideologie und mich nicht mehr als seine Tochter erkennt, sondern nur noch meine Politik und meine auch queere Identität und dann nicht mehr über seine eigene Ideologie hinwegsehen konnte.

00:24:24: Das heißt, dieser Mensch hat für mich schon gar nicht mehr existiert und ich habe den entsprechend betraut, dass der Kontakt dann letzten Endes abgebrochen ist, war gar nicht unbedingt eine bewusste Entscheidung, sondern es war die... Zum einen der letzte mögliche Schritt, der mir noch geblieben ist, um irgendwo auch meine mentale Gesundheit zu schützen, auch meine Sicherheit irgendwo zu schützen.

00:24:45: Aber es war auch die letzte logische Konsequenz.

00:24:48: Das war so ein bisschen wie die Beerdigung, die man dann eben hat, wenn jemand stirbt.

00:24:52: Also ich weiß, es klingt immer hart, wenn man sagt, diese Person ist für mich gestorben, das klingt immer nach einer Drohung.

00:24:58: Aber so würde ich das nicht ausdrücken, sondern ... Es ist eben wirklich als wäre dieser Mensch gestorben, weil der nicht mehr in meinem Leben ist, der darf nicht mehr und kann nicht mehr in meinem Leben stattfinden unter den Bedingungen, die dazu letzt bestanden haben.

00:25:10: Und dementsprechend musste ich den irgendwo auch betrauen.

00:25:14: Wie sieht es mit deiner Mutter aus?

00:25:15: Also du hast jetzt viel über deinen Vater gesprochen, der so ein bisschen gestorben ist, wie du es sagst.

00:25:20: Würdest du das bei deiner Mutter gleich formulieren oder ist das ein bisschen anders?

00:25:25: Mit meiner Mutter besteht ja noch ein sehr, sehr vorsichtiger Kontakt.

00:25:29: Die hat auch mit dieser Ideologie, mit dieser Partei nicht wirklich was zu tun, möchte damit auch nichts zu tun haben, ist aber ja trotzdem noch mit meinem Erzeuger verheiratet und zusammen und alleine schon aufgrund von, wie gesagt, Sicherheitsbedenken muss ich da sehr auf mich aufpassen.

00:25:45: Und ich habe irgendwann angefangen, an meine Verwandtschaft den gleichen Standard anzulegen, den ich auch an meinen Freundeskreis anlegen würde oder den ich an meinen Freundeskreis anlege.

00:25:54: Und würde meine beste Freundin mir morgen mit jemandem um die Ecke kommen, der eine gesichert rechtsextreme Parteivelt oder sogar Mitglied dabei ist und entsprechend eben auch die Ideologievertritt, die dahinter steht.

00:26:07: Und diese Ideologie schließt ja mich ein in meiner queeren Identität.

00:26:12: Die schließt meine Partnerschaft mit ein.

00:26:13: Die schließt ganz viele Menschen in meinem Leben mit ein, weil sie queer sind, weil sie migrantisch sind, weil sie eine Behinderung haben.

00:26:20: Dann ... wäre das die längste Zeit meine beste Freundin gewesen, weil ich doch merke, okay, wenn du meinst, dass diese Person mit deinem Wertesystem übereinstimmt, so sehr, dass du mit dieser Person in einer romantischen Beziehung sein möchtest, dann stimmt dieses Verhältnis zwischen uns beiden nicht mehr.

00:26:37: Und genau diesen Standard lege ich inzwischen eben auch an Menschen an, die mit mir verwandt sind, weil auch mit denen sollten wir ein Recht haben, uns sicher zu fühlen.

00:26:45: Du hast jetzt mehrmals auch von Sicherheitsbedenken gesprochen.

00:26:49: Also nebst du deiner mentalen Gesundheit, dass die gesund bleibt.

00:26:52: Was meinst du damit ganz konkret?

00:26:54: Naja, ich weiß in was für Telegram-Gruppen und geschlossenen Facebook-Gruppen und russischen sozialen Netzwerken und was nicht.

00:27:04: Sonst noch alles, sich mein Erzeuger da so rumtreibt.

00:27:07: Und da möchte ich ehrlich gesagt auch gar nicht, dass meine Adresse auf seinem Handy gespeichert ist.

00:27:12: Also völlig unabhängig davon, ob ich ihm jetzt irgendwie zutrauen würde, da was weiterzugeben.

00:27:17: möchte ich nicht, dass diese Information irgendwie zugänglich wird.

00:27:19: Wenn du jetzt mit bisschen Abstand auf diesen Kontaktabbruch schaust, auf diesen Trauerprozess.

00:27:28: Ich meine, für deinen Vater war es offensichtlich irgendwie wichtiger an seiner Weltsicht festzuhalten, als den Kontakt zu dir, zu seiner Tochter zu retten.

00:27:36: Wie erklärst du dir das?

00:27:39: Ich wünschte, ich könnte das erklären.

00:27:40: Ich finde, das ist übrigens das erste Mal, dass ich das gefragt werde.

00:27:44: Weil normalerweise höre ich immer, wie konntest du das machen?

00:27:47: Das ist doch dein Vater.

00:27:49: Aber es fragt ganz selten mal jemand, was muss ein Vater gemacht haben, dass seine eigene Tochter nicht mehr mit ihm spricht.

00:27:54: Wie ist das denn zu erklären?

00:27:57: Natürlich ist es für mich schwer nachzuvollziehen.

00:27:59: Es ist schwer zu erklären, weil ich selber mir nicht vorstellen kann, jemals so zu handeln.

00:28:04: Ich kann gleichzeitig, weil ich mich dann auch wissenschaftlich mit diesen Themen auseinandergesetzt habe, weil ich mich sowieso in den letzten Jahren sehr viel mit Radikalisierung und ... Populismus und Propaganda auseinandergesetzt habe, kann ich mir rational erklären, wie das passiert ist.

00:28:19: Ich kann eine rote Linie durch die letzten zwölf Jahre ziehen und kann rückblickend genau erklären, welche Radikalisierungsmechanismen da gegriffen haben.

00:28:27: Das macht es emotional für mich als Tochter nicht leichter.

00:28:30: Was fühlst du, wenn du jetzt heute noch an deine Eltern denkst?

00:28:34: Ich habe gar kein klares, herausgreifbares Gefühl dazu.

00:28:37: Ich wünsche denen tatsächlich nichts Schlechtes entgegen dem, was, was mir darüber oft vorgeworfen wird.

00:28:43: Ich wünsche ihnen, oder ich wünsche vor allem meinem Erzeuger und meiner Oma, die ja noch lebt, dass sie den Weg da wieder rausfinden.

00:28:50: Das wäre kein Garant für Kontakt.

00:28:52: Aber ich wünsche ihnen wirklich, dass sie, dass dieser kleine Samen des Zweifels, den es braucht, um, um den Prozess der Deradikalisierung anzufangen.

00:29:02: dass sie den irgendwie finden, dass sie diesen Moment des Zweifels finden, um das selber für sich zu dekonstruieren.

00:29:08: Ich muss von dieser Arbeit und dieser Reise allerdings erst mal kein Teil mehr sein.

00:29:12: Das lasse ich sehr gerne so ein bisschen als Schlusssatz stehen.

00:29:17: Danke viel, viel mal für das sehr offene und persönliche Gespräch.

00:29:20: Ich danke dir.

00:29:26: Und damit sind wir auch schon wieder am Ende dieser Folge von NCZ Megaherz.

00:29:31: Noch lange nicht zu Ende ist aber unsere aktuelle Staffel das letzte Mal.

00:29:35: Nächsten Donnerstag geht's schon weiter.

00:29:37: Da spreche ich mit einem Urndesigner über kreative Beerdigungen.

00:29:42: Mein Name ist Alice Grosjean.

00:29:44: Bis dahin,

00:29:44: macht's gut

00:29:45: und habt eine schöne Woche.

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